Bitkom-Umfrage zum DSGVO-Umsetzungsstatus zeigt fragmentiertes Bild

„Nix tun ist auch kein Weg“

Anmerkungen von Wilfried Reiners

Laut der Umfrage des Digitalverbands Bitkom, loben 67 Prozent der befragten Unternehmen, dass die DSGVO weltweit Maßstäbe für den Umgang mit personenbezogenen Daten setzt. Zudem ist jedes zweite Unternehmen (50 Prozent) der Meinung, dass die DSGVO zu einheitlichen Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU führt. Somit ist die Umfrage sehr hilfreich, um die DSGVO Umsetzungsszenarien in Deutschland zu bewerten. Wilfried Reiners, einer der führenden europäischen Rechtsanwälte im IT-Recht, sieht allerdings auch Punkte, die kritisch hinterfragt werden sollten:

Der Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder führt in der am 27. September 2022 von Bitkom veröffentlichten Pressemitteilung wie folgt aus: „Die Idee der DSGVO, einen einheitlichen Datenschutzrahmen mit hohen Standards für Europa zu schaffen, war und ist richtig. Bislang ist aber nicht gelungen, daraus den oft behaupteten Wettbewerbsvorteil zu ziehen.“ Diese Aussage ist laut Rechtsanwalt Reiners nur im ersten Satz belastbar. Der zweite Teil, laut dem es nicht gelungen sei, den behaupteten Wettbewerbsvorteil zu schaffen, ist jedoch kritisch zu sehen.

Wer behauptet, die Einhaltung einer Ordnungsvorschrift bedinge einen Wettbewerbsvorteil, verkennt den Wert und Zweck von Ordnungsvorschriften. Die Einhaltung von Gesetzen sollte selbstverständlich sein und ausgehend von einer wirtschaftlichen Betrachtung nicht bedeuten, dass ein Vorteil gegenüber den Mitbewerbern auf dem Markt entsteht, die sich gesetzeskonform verhalten.

Im Gegenteil, wenn eine Wertegemeinschaft für sich beschlossen hat, die Regelungen der DSGVO als Maßstab zu vereinbaren, dann verschafft sich derjenige einen Vorteil, der diesen Maßstab nicht oder nur fragmentiert umsetzt.

Die fehlende Umsetzung der DSGVO liegt nach Ansicht der Unternehmen überwiegend an Gründen, die sie nicht selbst zu verantworten haben. Sie führen vor allem die Rechtsunsicherheit und eine widersprüchliche Auslegung der Datenschutzvorgaben innerhalb Europas und zwischen den Bundesländern an. So geben 88 Prozent an, die Umsetzung der DSGVO sei nie vollständig abgeschlossen, unter anderem da es neue Guidelines gibt. 78 Prozent der Unternehmen sehen bestehende Rechtsunsicherheiten zu den Vorgaben der DSGVO als Hindernis.

Wer diese Aussagen analysiert, kann auf den Gedanken kommen, dass die kulturell noch nicht abgeschlossene Umsetzung eines Wertemodells (Datenschutz) oder eine widersprüchliche Auslegung ein Rechtfertigungsgrund für ein „dann lieber nix tun“ ist. Hier sollte daran erinnert werden, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, bewusst vorgehaltenes Halbwissen erst recht nicht. Man ist zunächst zu einer angemessenen Gewissensanspannung unter Aufbietung seiner intellektuellen Erkenntniskräfte verpflichtet. Unterlässt man dies und hat es aufgrund dessen in zurechenbarer Weise versäumt, die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens zu erkennen, so ist das Handeln (fehlende weitere Umsetzung) vorwerfbar und somit vermeidbar. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsgedanken sollten sich Entscheider fragen, ob sie sich die in der Umfrage abgegebenen Positionen leisten können. Leisten bedeutet hier die Akzeptanz von Bußgeldern und Imageschäden auf unterschiedlichen Ebenen.